
Genüsslich trinkt Mark Flekken seinen Cappuccino in der morgendlichen Sonne. Freiburg erwacht gerade, er schaut dem noch recht ruhigen Treiben in der Fußgängerzone zu. Eigentlich ist es ein Tag wie jeder andere im letzten Jahr. Heute passt das Wetter aber zu seiner Laune. Die steigert sich seit Wochen, denn es ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen, den der Keeper seit September 2020 durchschreitet. Die Reha ist seine tägliche Beschäftigung und die zähe Arbeit, um zurück auf den Fußballplatz zu gelangen.
Für ihn und seine Familie ist der Breisgau mittlerweile die zweite Heimat. Seine erste, die niederländische Gemeinde Kerkrade, ist weit weg, aber das stört den großgewachsenen Mann nicht. Er genießt die vielen Sonnenstunden, die Freiburg zu bieten hat, das Bergpanorama, das verschlafene Studentenstädtchen und die Zeit bei seinem familiären Arbeitgeber, dem Sportclub. Dabei ist letzterer gerade ganz weit weg. Zumindest in seinem Kopf. Mit Fußball wollte er in den letzten Monaten herzlich wenig zu tun haben. Wegen einer schweren Ellenbogenverletzung verpasste er praktisch die gesamte Saison. Ein Karriereknick zu Unzeiten, hatte er doch in der Vorsaison seine ersten Bundesligaspiele absolvieren und auf sich aufmerksam machen können. Mark Flekken ist mal wieder zurückgeworfen worden. Eigentlich wie jedes Mal, wenn er in seiner Karriere drauf und dran war, die nächste Stufe erklimmen zu können. Auf und Abs erzählen die Geschichte seiner Laufbahn.
2018 macht sich ganz Deutschland über ihn lustig
Der Niederländer war gerade 16 Jahre jung, als er sein Heimatland und seinen Jugendverein Roda JC Kerkrade verließ. Zunächst nicht weit. Direkt hinter der niederländisch-deutschen Grenze, bei Alemannia Aachen, spielte er für die U17 und U19 des Vereins, ehe Aachens damaliger Cheftrainer und Flekkens Landsmann Rene van Eck sein Potential erkannte und ihn zur Rückrunde der Regionalligasaison 2012/2013 zu Aachens Stammtorhüter ernannte. Mit 19 Jahren war Flekken die jüngste Nummer 1 der Aachener Vereinsgeschichte.
Ein halbes Jahr später folgte der Wechsel zu Greuther Fürth und damit der erste große Rückschlag seiner Karriere. In der Hoffnung zwei Ligen höher den Durchbruch bei den Kleeblättern zu schaffen, konnte er sich dort nie durchzusetzen. Ein Kreuzbandriss tat sein Übriges. Lediglich vier Mal kam er in drei Saisons zum Einsatz.
Jenes Vertrauen erhielt er erst beim MSV Duisburg wieder, wo er von 2016 bis 2018 für zwei Spielzeiten das Tor hütete und 2017 den Aufstieg in die 2. Bundesliga feiern konnte. Im Aufstiegsjahr trug er sich als erster Torhüter in die Torschützenliste des MSV Duisburgs ein, als er tief in der Nachspielzeit den Ausgleich gegen den VfL Osnabrück per Hacke erzielte. 2018 dann erlangte er bundesweite Berühmtheit, weil er im Spiel gegen Ingolstadt den Wiederanpfiff verpasste und trinkend im Tor stand, während der gegnerische Stürmer den Ball ins leere Tor spitzelte. Flekken hatte gedacht, sein Team hätte ein Tor erzielt und das Spiel sei darum unterbrochen, er hatte nicht mitbekommen, dass das Tor aberkannt worden war. Und guckte wenige Sekunden so schön blöd aus der Wäsche, dass man behaupten könnte, die Redensart „Blöd aus der Wäsche gucken“ wäre für exakt diesen Moment erschaffen worden.
Durchbruch in Freiburg
Als Ausschlusskriterium sah der SC Freiburg diesen Fauxpas 2018 allerdings nicht. Für zwei Millionen Euro verpflichtete der SC den Niederländer – und brachten ihm vom Flachland in die Berge. Mark Flekken wurde zunächst als Ersatzmann von Alexander Schwolow verpflichtet. Nach dessen Wechsel zu Hertha BSC schien der Weg für Flekken eigentlich frei. Doch eine Ellbogenverletzung verbaute ihm die Stammposition im Tor. Erst als Florian Müller, der inzwischen Freiburgs Nummer Eins geworden war, den Verein verließ, war der Weg für Flekken frei. In den vergangenen zwei Saisons hat sich Mark Flekken zu einem der besten Bundesligatorhüter entwickelt. Seine zwölf „Weißen Westen“ in diesem Jahr sind nur von Wolfsburgs Koen Casteels erreicht.
Diese Leistungen brachten Flekken mittlerweile schon in den Kreis der niederländischen Nationalmannschaft. Erstmals hatte Louis van Gaal ihn 2021 angerufen, der ihn zwischen den Pfosten testen wollte. Damit erreichte Flekken eine weitere Karrierestufe, ehe er im Winter 2022 den nächsten Rückschlag kassierte: Die Nicht-Nominierung für die WM 2022 in Katar enttäuschte ihn nicht nur – „sie machte mich sauer“, sagte er dem Kicker. Warum sich das Trainergespann gegen ihn entschied, habe er bis heute nicht erfahren. Immerhin: Mittlerweile wurde er vom neuen Bondscoach Ronald Koeman wieder berücksichtigt.
Nun hat er in Brentford auf sich aufmerksam gemacht. Die Engländer hatten sich im vergangenen Jahr bereits in Freiburg bedient, als sie Kevin Schade verpflichteten. Beim SC geht man mit dem erneuten Interesse an einem ihrer Spieler betont lässig um. Am Wochenende würde er „definitiv spielen“, sagte sein Trainer Christian Streich. „Danach schauen wir weiter“, fügte er hinzu. „Gut möglich, dass er uns verlässt“.
In Freiburg wird ihm niemand böse sein, sollte er in die Premier League wechseln. Bereits 2018 bei seiner Ankunft sagte er schließlich offen und ehrlich, dass er in Freiburg lediglich seinen nächsten Schritt sehen würden. Diesen ist er mittlerweile gegangen.
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